Die letzten Tage in Isoko waren noch gut gefüllt, mit dem aufschlussreichen und netten Besuch von Raimund Hertzsch von der Direktion, einem letzten Seminar und Arbeit bis zum Schluss. Das Seminar war über Känguru- Pflege von Frühgeborenen. Ich nahm an, dass keine der Krankenschwestern sich bis auf die Haut ausziehen würde und habe deshalb Dr. Kita gebeten, sein Hemd zu öffnen – allerdings hatte er unerwarteter Weise ein Unterhemd an. Die Puppe hat trotzdem drunter gepasst und ich denke, der wichtige, direkte Haut- zu- Haut- Kontakt blieb auf diese Weise vielleicht noch eindrücklicher.
Am Mittwoch waren wir bei Enea zum Abschiedsessen eingeladen. Allerdings musste sie noch auf uns warten, denn wir konnten abends noch Zwillingen auf die Welt verhelfen (Luise ist schon halbe Hebamme). Die Mutter war morgens gekommen, mit einem riesigen Bauch. Dr. Shibanda hat, nicht sehr ausführlich, Ultraschall gemacht und in die Akte geschrieben: „möglicherweise Zwillinge“ – das hatten wir per Handuntersuchung auch schon festgestellt… Die nachmittags diensthabende Schwester hat nur eine einjährige Ausbildung und ist weder die schnellste, noch die schlaueste. Im diesem Dienst sind sie immer alleine im Kreißsaal + Wochenstation, das ist wirklich keine gute Situation. Kurz nach 18.00 Uhr sind jedenfalls die Kinder gut geboren, zwei fitte, prächtige Jungs. Das war ein schöner Abschluss!
Direkt danach sind wir zu Eneas Haus gegangen, sie hatte den Hof mit Klopapier- Girlanden dekoriert und mit Kerzen und Kochofen eine „Grillparty“ vorbereitet. Es war ein wirklich wunderschöner Abend, sehr romantisch mit den leuchtenden Sternen über uns (ein etwas verrauchtes Bild):
Am nächsten Tag hat Dr. Shibanda nach der Morgenandacht noch eine Dankesrede gehalten und uns beiden je einen wunderschönen Kitenge geschenkt „damit wir eine Erinnerung an Isoko haben“. Er meinte, unser Einsatz sei viel zu kurz gewesen, Luise würde ja sowieso wiederkommen 😉 aber ich sollte auch unbedingt wiederkommen, für mindestens ein halbes Jahr, lieber länger. Das ist natürlich ein schönes Kompliment, es gäbe auch genug zu tun… Ich habe dann noch offiziell „Edina“ die Puppe und das Becken überreicht und nach einem letzten Tee mit Luise kam schon das Auto für die Fahrt nach Mbeya.
Jetzt sitze ich auf einer ziemlich unbequemen Bank im Flughafen in Dar es Salaam und warte, dass der Schalter zum Einchecken öffnet. Gestern und heute Morgen habe ich noch eine Zusammenfassung und Ausblick meiner Zeit hier geschrieben. Ich hänge es mal unten an, wem noch nicht langweilig ist, kann es gerne lesen.
In Deutschland hat es schon geschneit und die Weihnachtsmärkte sind in vollem Gange – das ist in der schwülen Hitze von Dar es Salaam gerade schwer vorstellbar. Wer noch anderen eine Weihnachtsfreude machen möchte, ist herzlich eingeladen, der Herrnhuter Missionshilfe was zu schicken, mit dem Hinweis: „Isoko“ oder „Isoko Waisenprojekt“. Kontonummer: IBAN DE25 5206 0410 0000 4151 03 – BIC (Swift Code) GENODEF1EK1
Hiermit schließe ich also den Blog. Danke für’s Mitlesen, Mitbeten und für alle Kommentare! Ich komme gerne mit Bildern zu Gemeinden und zu Gruppen, bitte gerne Kontaktaufnahme über meine Email- Adresse: ch.klingner@freenet.de. Das Internet in Königsfeld ist hoffentlich weiterhin schneller als in Isoko und zu jeder Tageszeit funktionstüchtig…
Ich wünsche Euch allen eine gesegnete Adventszeit!
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„Subiri kidogo“ – Warte einen Moment
Zusammenfassung und Ausblick meines Freiwilligen- Einsatzes im Isoko- Hospital vom 7.10. bis 6.12. 2015
Im Auftrag der Herrnhuter Missionshilfe konnte ich im Oktober als Hebamme zu einem zweimonatigen Freiwilligen- Einsatz nach Isoko/Ileje im südlichen Hochland Tansanias reisen. Ziel war, die Arbeit im Krankenhaus kennenzulernen und zu unterstützen und Einblick zu bekommen in das „Isoko Waisen- Projekt“, das dem Krankenhaus angeschlossen ist. Mein persönliches Ziel war, die Hebammen bei ihrer Arbeit zu begleiten und in neuen Methoden der Geburtsbegleitung zu schulen.
Mit mir zusammen ist Luise Schiewe als Krankenschwester gereist. Sie ist ein wenig länger als ich in Isoko geblieben und wir haben zusammen gewohnt und gearbeitet. Luise und ich haben wunderbar zusammengepasst, sie ist klug, unkompliziert, engagiert und hat mir mit ihren Kiswahili- Kenntnissen unglaublich geholfen. Durch sie habe ich Einblick in die Arbeit der anderen Stationen und der Ambulanz bekommen, der fachliche Austausch war sehr bereichernd und das Zusammenleben einfach nur schön.
Die Unterbringung war, nachdem die Renovierung abgeschlossen war, in einem sehr schönen ehemaligen Ärztehaus. Wir wurden auf das Beste umsorgt und verpflegt von Enea Kajange und den Waisenmädchen, die bei ihr wohnen. Enea ist die Leiterin des Waisenprojektes. Sie spricht ein ausgezeichnetes Englisch, ist den Umgang mit Weißen gewöhnt und ist uns mit ihrer fröhlichen, liebevollen Art, eine echte Freundin geworden.
Da ich schon mehrere Krankenhäuser in Tansania kennengelernt habe, war ich über die relativ gute Ausstattung positiv überrascht. Natürlich sind, unter anderem, einige der Stationen und der Wartebereich der Ambulanz sehr renovierungsbedürftig, aber von den Räumlichkeiten her, den Geräten und dem Fuhrpark ist es nicht schlecht.
Ich habe versucht, in alle Bereiche der Hebammenarbeit, einschließlich der ambulanten Schwangerenbetreuung und Verhütungs- und HIV- Beratung, hineinzuschauen, aber war die meiste Zeit im Kreißsaal, auf der Wöchnerinnenstation und bei den stationären Problem- Schwangeren.
Die tansanischen Kolleginnen und die Ärzte waren alle ausgesprochen nett und sehr begierig, Neues zu lernen und/oder das, was sie mal in der Schule gelernt, aber nie angewendet haben, in der Praxis zu sehen. Nach kurzer Zeit konnte ich anfangen, kleine Seminare zu halten über folgende Themen: Vorteile der aufrechten Gebärhaltung, verbesserte Positionen bei Steißlagengeburten, ein Spezialtraining für die Ärzte und Stationsleitungen zu Problemen bei Steißlagengeburten, Wiederbelebung von Neugeborenen, Känguru- Pflege bei Frühgeburten, Hygiene, Kommunikation und Patientenrechte. Als Medien hatte ich Plakate, kleine Lehrfilme, eine Demonstrationspuppe und ein Becken mitgebracht. Die Seminare wurden gut besucht und im Alltag immer wieder zitiert, so dass vielleicht das eine oder andere hängen bleibt. Die alternativen Gebärhaltungen konnte ich vielfach mit den Kolleginnen bei Geburten praktizieren – da hat sich sicher in der Geburtsbetreuung etwas geändert, was hoffentlich anhält.
Dr. Shibanda, der Chefarzt, ist ein unglaublich offener und ausgesprochen engagierter Arzt. Neben Operationen und Krankenbetreuungen tagsüber, wird er oft nachts bei Notfällen angerufen. Er hat etliche andere Aufgaben und muss das Krankenhaus gegenüber den staatlichen Gesundheitsbehörden vertreten und verantworten. Er kämpft ebenfalls mit fehlenden Formularen und ungenauer Dokumentation. Leider geht er nächstes Jahr in Rente, wie auch noch zwei der anderen Ärzte.
Das Waisenprojekt konnten wir durch die Berichte von Enea und aus eigener Anschauung bei Besuchen und Seminaren von Waisen gut kennenlernen. Viele der Waisen nutzen die Chance auf Bildung sehr gut und werden befähigt, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Enea ist ein Genie im Organisieren und Umsetzen von Ideen, um die Lage ihrer Schützlinge zu verbessern und sie zu befähigen, eigene Geldquellen zu erschließen. Sie ist dabei, eine elektronische Datenbank der einzelnen Waisen aufzubauen, aber das braucht sehr viel Zeit.
Herausforderungen:
– Ein großes Problem ist das völlige Fehlen von Planungssicherheit: seit wenigen Jahren gibt es im etwa eine Stunde entfernten Itumba ein staatliches Krankenhaus im Bezirk und die Regierung bezahlt nur ein Bezirkskrankenhaus. Es ist völlig ausgeschlossen, dass der Krankenhausbetrieb nur von der Kirche getragen werden kann. Bis jetzt gibt es noch die Kooperationsverträge mit den Gesundheitsbehörden, aber wie das unter der neuen Regierung wird, weiß noch keiner. Für die Patienten wäre die Schließung, wegen der Unerreichbarkeit der anderen Klinik, eine Katastrophe.
– Die geographische Lage in den Bergen mit sehr schlechten Straßen und fehlender Infrastruktur macht den Einsatz von schweren Landrovern erforderlich, die Unmengen teures Benzin verbrauchen. Das ist ein großer Kostenfaktor des Krankenhauses und des Waisenprojektes.
– Es fehlt gut ausgebildetes Fachpersonal. Die meisten der Pflegekräfte haben nur eine einjährige Ausbildung, aber arbeiten z.T. alleine in Bereichen, die unbedingt eine höher qualifizierte Ausbildung erfordern (zB. die Geburtshilfe). Es gab Zwischen- und sogar Todesfälle dadurch.
– Die Beschaffung von Medikamenten ist schwierig und von der Weitsicht und dem Engagement des Chefarztes abhängig. In den angeschlossenen Dispensaries fehlen manchmal wichtige Medikamente – da müssten die Lieferungen häufiger sein.
– Die Ordnung und das Dokumentationssystem sind dringend verbesserungswürdig. Oft müssen Geräte, Instrumente, Akten oder sogar Medikamente lange gesucht werden, was viel Zeit in Anspruch nimmt und für die Patienten lebensbedrohlich werden kann.
– Weitere Schulungen und Fortbildungen sind sehr gewünscht. Unbedingt sollten von Zeit zu Zeit Kontrollen über das Gelernte stattfinden.
Was können wir tun?
– Weitere Freiwilligen- Einsätze halte ich durchaus für sinnvoll, am besten für die Zeit von mehreren Monaten. Es kann medizinisches Fachpersonal jeglicher Art sein (SchülerInnen/StudentInnen halte ich eher für nicht so hilfreich), gerne auch Ärzte, die zB. eine bestimmte Operationsmethode schulen (da könnte dann auch eine kürzere Zeit ausreichen). Sie (bei Ärzten reicht auch Englisch) sollten einigermaßen Kiswahili können, da die Schwestern nur schlecht bis gar nicht Englisch sprechen.
– Sehr wünschenswert wäre ein Einsatz von Computer- affinen Menschen (diese können durchaus SchülerInnen oder StudentInnen sein), die Enea Kajange bei ihrer Büroarbeit und dem Aufbau der Datenbank für das Waisenprojekt unterstützen können. Sie sollten ganz gut Englisch können für die Berichte.
– Dem Krankenhausbudget fehlen Mittel für neue medizinischen Geräte und Renovierungsprojekte, für diese brauchen sie dringend zusätzliche Geldmittel. Auch für die Dispensaries gibt es eine ganze Liste mit zusätzlichem Bedarf.
– Die Ausbildung eines oder mehrerer neuer Verantwortlicher für den Heilpflanzengarten sollte dringend unterstützt werden. Es gibt schon Kontakt zu einer deutschen Apothekerin, der dazu genutzt werden kann.
– Das Waisenprojekt ist eine unbedingt unterstützenswerte Arbeit und sollte weiter gefördert werden. Zusätzlich könnte es einen Sonderaufruf geben für die notwendigen plastischen Operationen von zwei Waisenkindern.
Warum „subiri kidogo“? Das war eine der Phrasen, die ich sehr häufig gehört und auch selbst gesagt habe. Das Warten- Können und die Geduld der Tansanier sind unglaublich. Zum einen ist Geduld natürlich eine der Grundregeln der Geburtshilfe, aber andere Patienten haben mir oft nur leidgetan, wenn sich die Hilfe sehr verzögert hat, manchmal wegen Stromausfall, manchmal wegen des Ärztemangels, manchmal einfach aus organisatorischen Gründen oder weil die Schwestern etwas suchen mussten. Natürlich hat „subiri kidogo“ auch uns selbst betroffen, angefangen von der verzögerten Anreise mit dem Zug, die schlechte Internetverbindung, die anstrengenden Autofahrten bis hin zu den Krankenschwestern, die manchmal einfach nur bequem auf ihren Stühlen saßen und geplaudert haben, statt aufzuräumen, zu putzen oder außer der Reihe mal Instrumente zu sterilisieren.
Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Arbeit tun konnte und danke den Verantwortlichen der HMH, besonders Fred Walch, für alle Unterstützung. Die Begegnung mit vielen wunderbaren Menschen, die großartige Landschaft Isokos, das Kennenlernen und der Austausch von Herausforderungen und Chancen, haben mich reich gemacht. Vielleicht – subiri kidogo – kann ich eines Tages zurückkommen.